Mit Wasser-Recycling Trinkwasser sparen  | hr-iNFO | Programm

2021-12-29 22:41:58 By : Ms. Tina Yuan

Veröffentlicht am 21.12.21 um 16:20 Uhr

Brauchen wir für die Toilettenspülung das gleiche Wasser wie für die Kaffeemaschine? Oder kann man zumindest für manche Bereiche zu Hause auch Wasser nehmen, das schon mal genutzt wurde? Fakt ist: Wenn man Wasser mehrmals verwendet, könnte das helfen, Trinkwasser zu sparen.

Erwin Nolde ist Umweltingenieur in Berlin. Seit 30 Jahren beschäftigt ihn, wie man gebrauchtes Wasser wiederverwenden kann. Das Stichwort lautet Brauchwasser. Experten sprechen lieber von Betriebswasser. Die Idee: Wasser, mit dem man Gemüse putzt oder sich die Hände wäscht, fließt nicht einfach ab in die Kanalisation. Stattdessen wird dieses sogenannte Grauwasser gesammelt, gereinigt und dann noch mal genutzt.  

Nicht als Trinkwasser aus dem Wasserhahn oder der Dusche. Aber zum Beispiel für die Toilettenspülung. Oder die Waschmaschine. "Wasser sparen ist mir zu kurz gegriffen", erklärt Erwin Nolde, "wir müssen dazu übergehen, Abwasser zu vermeiden."  Denn indem man Abwasser vermeidet, kann man wertvolles Trinkwasser sparen.   

Nolde erklärt das am Beispiel der Toilette. Würde man hier für die Spülung recyceltes Grauwasser nutzen, könne man rund 30 Prozent des täglichen Trinkwasserverbrauchs ersetzen. Und damit sparen. Allerdings: Auch das Recyceln hat seine Grenzen. Beispiel: Toilettenspülung. Das hierfür genutzte Wasser nennt man Schwarzwasser – und dieses mit Fäkalien belastete Wasser geht dann tatsächlich in die Kanalisation.   

Das Prinzip - und vor allem das Sparpotential - beeindruckt längst auch die Politik. Gerade in Zeiten, in denen sich einerseits abzeichnet, dass infolge des Klimawandels Wasser immer knapper und teurer wird. Andererseits sagen Experten aber auch: Wasser sparen allein durch weniger Verbrauch bringt nicht mehr viel. So heißt es in der aktuellen "Situationsanalyse zur Wasserversorgung in der Rhein-Main Region " zum Thema Wassersparen: "Angesichts der im internationalen Vergleich niedrigen Verbrauchszahlen in Deutschland ist durch Verbraucherverhalten generell nur ein geringes Einsparpotential zu erwarten." 

Umso größer sind mancherorts die Hoffnungen in Sachen Betriebswasser- beziehungsweise Brauchwassernutzung. In Frankfurt will man künftig bei Neubauten Brauchwassersysteme zum "Standard machen", wie es im Koalitionsvertrag der von vier Parteien geführten Stadtregierung heißt. Frankfurts Umweltdezernentin Rosemarie Heilig von den Grünen will sogar noch mehr: "Bei allen Neubaugebieten muss das verpflichtend sein." Allerdings kostet das Geld. Denn Brauchwassersysteme, das bedeutet: ein zweites Leitungsnetz, getrennt vom Trinkwassernetz. Eine Reinigungsanlage.   

Brauchwasser-Befürworter Erwin Nolde rechnet dafür mit Investitionskosten zwischen 1.700 Euro und 2.500 für einen Vier-Personen-Haushalt. Umgekehrt, rechnet Nolde vor, könne man aber auch Kosten sparen - und zwar Energiekosten. Das gebrauchte Wasser - Duschwasser oder Spülwasser - ist nämlich häufig um die 30 Grad warm, und damit rund 20 Grad wärmer als normales Trinkwasser.  Diese Wärme können man wiederum nutzen zur Wärmegewinnung.   

Das klingt gut. Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführer des Wohnungsunternehmen ABG Frankfurt Holding, ist da allerdings zurückhaltender. Die ABG hat vor sieben Jahren in einem Neubau in Frankfurt ein Brauchwassersystem mit Wärmerückgewinnung getestet. Im Rahmen eines Forschungsprojektes.   

Junkers Fazit: im Prinzip eine gute Idee, aber nicht unbedingt wirtschaftlich. Junker denkt dabei gar nicht nur an die Investitionskosten für die notwendigen Anlagen. Dazu komme auch ein weiterer Effekt: "Zum Wassersparen ist das richtig, aber wenn Sie mal sehen - ein zweites Leitungssystem heißt eben auch, dass Sie dafür Wohnfläche in Anspruch nehmen, das reduziert die vermietbare Fläche. Und das geht dann in die Gesamtmiete, die dadurch etwas höher wird." Sprich: Wohnen dürfte im eh schon teuren Frankfurt durch Investitionen in Wasser-Recycling also nicht billiger werden.   

Auch die Trinkwasser-Versorger sind zurückhaltend. Die schon angesprochene "Situationsanalyse Wasserversorgung Rhein-Main" aus dem Jahr 2016 resümiert skeptisch: Das Einsparpotential werde überschätzt, die Kosten seien zu hoch. Allerdings: Eine Nutzung von Flusswasser zum Beispiel aus Nidda und Main in Neubaugebieten als Brauchwasser wäre zumindest eine Prüfung wert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnt im Zusammenhang mit der Nutzung von Brauchwasser vor einem "Rückschritt ins Mittelalter". Der Verband befürchtet hygienische Probleme oder chemische Rückstände wie Mikroplastik in schon einmal genutztem Wasser. 

Für Befürworter Erwin Nolde steht dagegen fest: Die Nutzung von Betriebswasser darf für den Verbraucher keine Verschlechterung bringen: ´"Das ist wichtig. Wir müssen einerseits dafür sorgen, dass kein hygienisches Risiko besteht, ganz klar. Aber den gewohnten Komfort sollten wir auch halten." Und der Berliner Umweltingenieur ist da ganz selbstbewusst: Wenn man es richtig macht, würde der Verbraucher gar nicht merken, dass er seine Toilette mit schon mal gebrauchtem und recyceltem Wasser spült.   

Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 28.12.2021, 6 bis 9 Uhr

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